Stadtkirche St. Maximi zu Merseburg
Sonnabend, 7. April 2000 um 19.00 Uhr
Johann Sebastian Bach
Kantate "Ich habe genug", BWV 82
Reinhard Ohse
Lettner-Passion
für Bariton, Chor, Orchester und Orgel
(komponiert 1987/88)
Bariton (Jesus): Kai Uwe Fahnert, Berlin
Sopran: Claudia Zohm, Halle
CANTIAMO - Junge Kantorei Merseburg
Naumburger Kammerchor
Kammerorchester Halle
Cembalo: Katharina Mücksch
Orgel: Reinhard Ohse
Gesamtleitung: Stefan Mücksch |
Inhalt:
Kantate "Ich habe genug", BWV 82
1. Aria: Ich habe genug
2. Recitativo: Ich habe genug!
3. Aria: Schlummert ein, ihr matten Augen
4. Recitativo: Mein Gott, wann kommt das schöne
5. Aria: Ich freue mich auf meinen Tod
Lettner-Passion (R. Ohse)
6. Abendmahl
7. Orgelstück
8. Verrat
9. Orgelstück
10. Gefangennahme
11. "Ich bin die Tür"
12. Verhör
13. Orgelstück
14. Geißelung
15. Orgelstück
16. Kreuzweg
17. Golgatha |
Reinhard Ohse
Der Komponist der Lettner-Passion wurde 1930 geboren, machte 1949 sein Abitur in
Rostock und studierte anschließend evangelische Kirchenmusik in Spandau und Halle. Von
1958-78 schloß sich eine Tätigkeit als Organist am reformierten Dom zu Halle an.
Gleichzeitig war Reinhard Ohse ab 1968 Dozent für Tonsatz an der dortigen
Kirchenmusikhochschule. Den größten Teil seines Lebens jedoch verbrachte er als
Domkantor in Naumburg.
In dieser Zeit entstand 1987/88 seine Lettner-Passion als ein Werk aus einem sehr umfangreichen
Schaffen. Dieses umfaßt hauptsächlich Musik für den kirchenmusikalischen
Gebrauch, Lieder, Klavierstücke, Orgelwerke, Kantaten und oratorische Werke.
Auf vorliegender Aufnahme spielt der Komponist selbst an der Orgel der Merseburger Stadtkirche
Sätze aus seiner Partita über den Choral "Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen".
Die Bearbeitungen für Orgel sind als Zwischenstücke zur Lettner-Passion gedacht. Sie
sollen eine Gliederung und eine Möglichkeit zum Innehalten für den Zuhörer
schaffen. |
Die Werke
Die Bach-Kantate BWV 82 "Ich habe genug" zu Maria-Reinigung ist sicherlich eine
der beliebtesten und daher auch am häufisten aufgeführten Vokalkompositionen des
Barockmeisters. Sie gehört in die Serie der zwischen Juli 1726 und Februar 1727
entstandenen Solokantaten und ist neben der aus derselben Zeit stammenden Kantate BWV 56 "Ich
will den Kreuzstab gerne tragen" die einzige überlieferte Solokantate für eine
Baßstimme.
Der unbekannte Dichter des Kantatentextes knüpft an die Evangeliumslesung am Feste Mariae
Reinigung (Lukas 2, 22-32) an, in welcher von der Begegnung des alten Simeon mit dem Jesuskind
berichtet wird. Die Schlußfolgerung aus dieser wundervollen Erfahrung lautet für ihn
"Ich habe genug". Simeon kann und will nun in Ruhe sterben.
Ein Grund für die Beliebtheit der Kantate läßt sich zweifelsohne in der
großen Ausdruckskraft dieses Werkes finden. Zwar ist sie "spartanisch" besonders was die
Zahl der Mitwirkenden betrifft - denn da ein Schlußchoral nicht vorgesehen ist, reichen
ein Vokalsolist, Solo-Oboe, Streicher und Continuo aus. Auf der anderen Seite jedoch werden die
Worte und Gedanken Simeons in den drei bekannten Arien auf sehr eindringliche Weise dem
Zuhörer dargeboten und durch die bachsche Musik ausgedeutet.
An diese Art und Weise der Textausdeutung knüpft auch Reinhard Ohse an. Anregung für
seine Lettner-Passion fand er im "West-Lettner" im bekannten Naumburger Dom. Dieser wird um das
Jahr 1250 herum datiert, jedoch ist der Bildhauer unbekannt. Ein Fries, das diese Schranke
zwischen dem Langhaus und dem westlichen Chor am oberen Rand begrenzt, stellt von links nach
rechts gesehen die Kreuzwegstationen, also Bilder aus der Leidensgeschichte Jesu in Steinreliefs
dar. In der Mitte befindet sich ein Portal, das von einem Kruzifix beherrscht wird und als
Tür zum dahinterliegenden Westchor dient. Auf diesen Bildern hat Reinhard Ohse seine
Komposition aufgebaut.
Die Lettner-Passion ist jedoch keine Passion im oratorischen Stil, sondern vielmehr eine
Kammersinfonie in acht durchkomponierten Sätzen für Streichorchester, sechs
Bläser, einen Schlagzeuger, gemischten Chor und einen Bariton-Solisten, der die
Christusworte singt. Die Textauswahl bezieht sich auf die Passionsberichte der Evangelisten
Matthäus, Lukas und Johannes.
Eine Besonderheit stellt der vierte Satz dar, der Bezug nimmt auf die Kreuzigungsgruppe in der
Mitte des Lettners. Durch ihre Funktion als Tür symbolisiert sie die Worte Jesu "Ich bin
die Tür". Der vierte Satz bildet mit den sich wiederholenden "Kreuzige"-Rufen daher auch
die Mitte des Werkes.
Die Komposition schildet den Passionstext und damit den Inhalt der Reliefs auf eine ungemein
plastische und anschauliche Weise. Musik und Text bilden eine beeindruckende Einheit, die dem
Hörer selbst das unmittelbare Geschehen, die Leidensgeschichte unglaublich nahe gehen
läßt. | | |